Stilles neues Jahr?

01.01.2019

Wie erlebt sich der Jahreswechsel, wenn man 6 Tage lang schweigt, mit 40 anderen meditiert und mitten in der Natur in einem einfachen buddhistischen Zentrum lebt. Wie feiert man schweigend? Gibt es ein buddhistisches Feuerwerk?

Für mich nicht zum ersten mal, und immer wieder eine Wohltat, das Ende und den Anfang des Jahres im Waldhaus am Laacher See im "Sylvesterkurs" von Ursula Lyon zu verbringen. Dieses Jahr war es dabei eine besonders bedeutsame Zeit. Noch nie kammen sich das Ende und der Anfang so nahe. Ein Kreis schliesst sich - es wird rund.

Ankommen, Sitzen, Atmen

Mehr ist nicht zu tun. Und doch passiert dabei so viel. Ganz für sich allein und doch in Gesellschaft mit anderen. Schon nach wenigen Minuten merke ich wie viel Ruhe und Kraft mir die Meditation gibt ... und dann kommen die Gedanken ... und die Ideen ... und die Pläne ... auch ok. Nichts damit machen. Nur sitzen, atmen und bei sich ankommen.

Gehmeditation ganz natürlich

Achtsames Gehen ... gerne auch mal barfuss durch den raureif. Selbst in der vermeindlich kargen Winterzeit berührt die Natur der Vulkaneifel immer wieder meine Sinne.

Welch eine Freude gehen, sehen, riechen zu können. In Sicherheit und Sorglosigkeit.

In Ruhe essen

Einfach mal nur essen. Nicht sprechen, nicht hören müssen, nicht die Emails checken. Stattdessen sich völlig einlassen auf das, was man zu sich nimmt. Bei jeden Bissen den Geschmack erkunden, die Textur, den Geruch erforschen ... und auch erleben, welche Gedanken sich zeigen. Will ich mehr? Habe ich genug? Brauche ich wirklich das Rezept?

Kaue ich ausser auf der Nahrung auch noch auf anderen Sachen herum? Vielleicht auf Problemen, Ideen oder Plänen. Interessant und nährend. Angenehmer Nebeneffekt: Meine Klecker-Quote sinkt erheblich beim Essen in Stille :).

Arbeiten im Flow

In vielen Meditationszentren gehört die Mitarbeit im Haus zum Programm des Meditationskurses dazu. Nicht nur um das (teils ehrenamtlich) arbeitende Personal zu unterstützen, sondern auch, weil Meditation nicht nur auf dem Sitzkissen stattfindet.

Der eigene Geist und seine Gewohnheiten lassen sich besonders gut bei der Arbeit beobachten...vor allem wenn man sie schweigend und achtsam ausführt. Welche Empfindungen, Urteile, Glaubenssätze kommen in mir hoch, wenn 7 kg Äpfel von mir geschält und geviertelt werden wollen. Was kommt hoch, wenn ein anderer "mein" Messer nimmt. Im Alltag springt da schnell die Sprache in den Vordergrund. Hier habe ich die Zeit mal genauer hinzuschauen, was in mir ist. Und auch zu erleben, welchen Freude es macht, Nahrung für andere Menschen zu zu bereiten.

Tee-Zeremonie

Hinsetzen. Sitzen. Atmen. Riechen. Schauen. Schmecken. Spüren. Glas, Wasser, Erde, Hitze, Luft...

... der ganze Kosmos in einem Glas Tee.

Freude an der Freude miteinander

Ohne Smartphones, Laptops und Small Talk kommt man sich näher ... auch wenn man nicht mit einander sprechen kann. Die Kreativität, die Verbundenheit und der Wunsch sich gegenseitig eine Freude zu machen fiden ihre Wege.

Sei es, indem man seine Buntstifte teilt und gemeinsame Kunstwerke erschafft. Oder in dem man sich kleine Liebesbriefe zusteckt. Oder auch, indem man jemandem (von dem man zufälligerweise weiß, dass die Person das Baden liebt und vermisst) ein Entspannungsbad in der Wladhaus-Badewanne schenkt (danke, danke Angela).

Das Alte loslassen

Rituale können viel Tiefe enthalten, wenn wir ihnen Bedeutung verleihen. Ein wichtiges Ritual für mich zum Jahreswechsel ist es, Rückblick zu halten. Das Schöne wertzuschätzen, Dankesbriefe an Menschen zu schreiben, die das Jahr für mich besonders geprägt haben und mir vor Augen zu führen, was ich alles in nur 12 Monaten geschafft oder auf den Weg gebracht habe. Die beschwerrlichen Dinge, die Gedanken und Gewohnheiten, die ich nicht mehr in das neue Jahr mitnehmen möchte, schreibe ich auf Zettel auf und übergebe diese einem kräftigen Lagerfeuer am Sylvesterabend.

Das Feuer zerstört nicht nur, es schafft die Asche, die als Dünger für neues Werden und Wachsen genutzt werden kann. So haben auch die beschwerrlichen Aspekte unseres Lebens, die wir loslassen wollen, ihren Wert und Nutzen. Nichts geht verloren - alles wandelt sich.

Feiern geht auch so

Die Sylvester Nacht war dann nicht so still, wie man es sich vielleicht bei einem Schweigekurs vorstellt. Es wurde viel gesungen, getanzt, gelacht und gequatscht. Aber nach so vielen Tagen des gemeinsamen Schweigens und Meditierens, hatten die Gespräche mehr Tiefe, mehr Bedeutung und mehr Herzenswärme als bei anderen Feiern. Und wie bei jeder guten Party endete die Nacht am frühen Morgen natürlich in der Küche ... mit Mineralwasser, Kartofellsalat mit Tofwürstchen und Muskelkater vom vielen Lachen.

Nach dem Schweigen ist vor dem Schweigen. Dies hieß für uns am ersten Tag des neuen Jahres wieder in die Stille zu gehen. Für manche schwer, den interessanten Austausch wieder pausieren zu lassen. Für andere eine Wohltat, nach der lauten Wuseligkeit, sich wieder in die Stille hineingleiten zu lassen.

Dank an Ursula

Mein Herz ist erfüllt mit Dankbarkeit für das Geschenk, noch einmal ein Sylvesterkurs mit Ursula Lyon verbracht haben zu dürfen. Vor 15 Jahren habe ich meinen aller erstes Retreat (Meditationsrückzug) bei ihr gemacht und bin durch sie mit dem BuddhaDharma (Lehre Buddhas) in Berührung gekommen. Bei ihr habe ich meine Zuflucht genommen und ihre Worte begleiten mich oft durch den Altag (v.a. "Füsse, Füsse").

In 2018 ist sie 90 Jahre alt geworden; ich 40 - in 2018 habe ich meine ersten eigenen Meditationskurse gegeben und zehre von Ursulas Lehre, Weisheit und Mitgefühl. So vieles von dem, was ich heute tue und bin, geht auf sie zurück. Dies mit ihr zu teilen und zufeiern, war ein magischer Moment, in dem sich Ende und Angang berührten; in dem Quelle und Fortführung sich wieder begegneten.

Tief beeindruckt von einer Frau, die mit 90 (fast) alle Yoga-Übungen mit macht, humorvolle Vorträge hält und länger feiert als manch eine 40jährige;). 

Mögen alle ein sicheres, gesundes und glückliches Jahr 2019 erfahren.

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